Planung
3.1
Da der Bauherr die Verantwortung für den Lärm, der von „seiner Baustelle“ ausgeht, trägt, hat er in dieser Phase des Bauvorhabens noch alle Optionen und Freiheiten. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Baulärm eröffnet dem Bauherrn deshalb die Möglichkeit, Lärmkonflikte im Vorfeld zu erkennen und darauf, z. B. im Rahmen der Ausschreibung, zu reagieren. Neben der Durchführung einer Baulärmuntersuchung im Eigeninteresse des Bauherrn fordern bisweilen die für die Erteilung der Baugenehmigung zuständigen Behörden von sich aus bereits, dass der Bauherr eine entsprechende Untersuchung oder ein Gutachten im Rahmen der Bauantragsunterlagen beibringt.
Da in der Regel nicht vorausgesetzt werden kann, dass ein Bauherr von sich aus mögliche Lärmkonflikte erkennen kann, muss er sich deshalb schon in einer sehr frühen Planungsphase der Unterstützung externer Fachkundiger bedienen. Diese können je nach Bedarf z. B. sein:
- Planer (Architekten, Bauingenieure, Gründungsgutachter etc.),
- Bauunternehmen,
- auf Baulärm spezialisierte Akustikbüros (Fachgutachter),
- Ingenieurbüros, die Leistungsverzeichnisse und Ausschreibungen erstellen.
Welche Möglichkeiten gibt es nun, sich dem Thema Baulärm in der Planungsphase zu nähern? Bereits die Detailtiefe der Genehmigungsplanung, d. h. die Planung, die zur Beantragung einer Baugenehmigung erforderlich ist, reicht aus, um Voraussagen zum Baulärm durchführen zu können. Das wichtigste Hilfsmittel ist hierbei die Baulärmprognose (siehe Kapitel 5). Anhand von akustischen Kenngrößen (typischerweise dem Schallleistungspegel der erforderlichen Baugeräte) wird prognostiziert, welche Geräuschbelastung an den umliegenden Immissionsorten (z. B. bei den Anwohnern) zu erwarten sein wird. Die Höhe der Geräuschbelastung und die Dauer, über die eine solche Geräuschbelastung zu erwarten ist, sind die entscheidenden Beurteilungsgrößen bei der Frage, ob der Baulärm als zumutbar oder unzumutbar einzustufen sein wird.
Vergleichsweise hohe Geräuschbelastungen sind typischerweise in den folgenden Bauphasen zu erwarten:
- Baufeldfreimachung,
- Abbrucharbeiten,
- Herstellung der Baugrube,
- Herstellung der Gründung,
- Herstellung des Rohbaus.
Weitere Bauphasen können im Einzelfall ebenfalls bezüglich ihrer Lärmentwicklung beachtenswert sein, z. B.:
- Montage von Fassadenelementen,
- Herstellen von Frei- und Verkehrsflächen.
Ob bei den akustisch relevanten Bauphasen ein Lärmkonflikt auftreten kann, lässt sich vielfach bereits im Vorfeld abschätzen, denn Baugeräte, Baumaschinen und Bauverfahren weisen oftmals einen Schallleistungspegel von 110 bis 120 dB(A) auf. Kein Lärmkonflikt ist zu erwarten, wenn die Immissionsrichtwerte (IRW) der AVV Baulärm eingehalten werden. Ob die Einhaltung der Immissionsrichtwerte erwartet werden kann, hängt von der Entfernung der umliegenden Anwohner/Nutzer zur Baustelle ab.
Eine Orientierung liefert Tabelle 2 für den Fall einer ungehinderten Schallausbreitung.
Tabelle 2: Orientierungswerte¹ zu Mindestabständen zum Emissionsort bei Baustellenbetrieb
am Tag und ungehinderter Schallausbreitung in Abhängigkeit von der Nutzung im betroffenen Gebiet -
Bezugswert: Schallleistungspegel = 115 dB(A)
¹Hinweis: Es handelt sich hierbei lediglich um Orientierungswerte. Die Angaben ersetzen nicht eine detaillierte Ermittlung der tatsächlichen Abstände für den konkreten Anwendungsfall!
Tabelle 2 zeigt, dass bei innerstädtischen Baustellen und ungehinderter Schallausbreitung bei einzelnen Bauphasen mit einem Lärmkonflikt gerechnet werden muss, da die innerstädtische Nutzung in der Regel einem Misch-/Kerngebiet bzw. einem allgemeinen Wohngebiet entspricht.
Wenn ein Lärmkonflikt nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt sich eine Vorabschätzung der zu erwartenden Lärmbelastung durch eine Baulärmprognose für die relevanten Bauphasen (weitergehende Informationen zu den erforderlichen Eingangsdaten und zu den möglichen aus den Ergebnissen ableitbaren Aussagen findet man in Kapitel 5).
Wie bereits beschrieben, ist der Bauherr rechtlich verpflichtet, rechtzeitig über das Ausmaß möglicher Lärmkonflikte Informationen einzuholen. Dies erfordert jedoch frühzeitig eine kompetente Unterstützung, um eine Baulärmprognose sinnvoll durchführen zu können.
Eine Planung zum Baukörper wird durch die Genehmigungsplanung immer vorhanden sein. Im nächsten Schritt bedarf es näherer Informationen zu den in den jeweiligen Bauphasen potentiell zur Ausführung kommenden Bauverfahren (z. B. Abbruch, Gründungsarbeiten).
Da in dieser Planungsphase die Ausschreibung noch nicht konkret ansteht, müssen die Angaben extern eingeholt bzw. Annahmen getroffen werden. Partner des Bauherrn können hier z. B. der Architekt, Bauingenieurbüros, der Gründungsgutachter oder auch ausgewählte Bauunternehmen sein. Im Ergebnis erhält der Bauherr mit der Baulärmprognose eine Aussage zum Lärmkonflikt auf der Grundlage der zunächst für die Bauausführung angenommenen Bauverfahren.
Im nächsten Schritt folgt dann die Suche nach Möglichkeiten zur Minimierung der Geräuschbelastungen in der Umgebung.
Diesen Schritt zu dokumentieren ist wichtig, da so durch den Bauherrn belegt werden kann, dass versucht wurde, vermeidbaren Lärm zu vermeiden. Dies ist eine Grundvoraussetzung, um eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte der AVV Baulärm dennoch als zumutbar einstufen zu können.
Beim Zusammenstellen möglicher Minimierungsansätze müssen die eingangs genannten externen Berater des Bauherrn „Hand in Hand“ arbeiten. Architekt und Ausschreibende liefern Informationen zu den in Frage kommenden Bauverfahren, so dass der Akustiker durch Fortschreibung seines Baulärmmodells die Auswirkungen entsprechend prognostizieren kann.
Mit der Kenntnis der zu erwartenden Überschreitung der Immissionsrichtwerte der AVV Baulärm kann der Bauherr eine interne Abwägung von möglichen Maßnahmen, die mit verhältnismäßigem Aufwand umgesetzt werden sollen, vornehmen. Unter Umständen müsste er aber auch die „Nicht-Erfüllbarkeit“ der Forderung nach Einhaltung der Immissionsrichtwerte gemeinsam mit den Betroffenen thematisieren.
Idealerweise wird nun durch den Bauherrn die für Baulärm zuständige Behörde (typischerweise das Umweltamt) in die Lärmthematik eingebunden. Mit den Ergebnissen kann der Behörde verdeutlicht werden, welche Lärmminderungsansätze vorgesehen werden sollen. Die Behörde wirkt im optimalen Fall bereits an einem Lärmschutzkonzept mit.
Für die Behörde liegt der Vorteil darin, dass diese bereits frühzeitig über mögliche Lärmkonflikte informiert ist und nicht erst durch Beschwerden im laufenden Baubetrieb „überrascht“ wird. Sie kann sich weiterhin dazu äußern, inwieweit sie das sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) ergebende Gebot der „Vermeidung von vermeidbarem Lärm“ umgesetzt sieht und den verbleibenden „unvermeidbaren Lärm“ als zumutbar einstuft.
Die vorgesehenen Minderungsansätze (siehe Kapitel 6) können dann in die Ausschreibung einfließen und minimieren das Risiko, dass der laufende Baubetrieb durch behördliche Anordnungen gestört wird.